Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 01. Januar 2013 20:08

Ergänzung zum Unterrichtsmaterial "Zeit für Dialog": "österlicher Zwischenruf" von Lukas

Emmaus-Impuls (Lk 24,13-35) Der Kommunikationsstil Jesu als Maßstab: Fragen - Zuhören - Sich auf die Bibel besinnen

Im Juli 2011 wurde auf Initiative der deutschen Bischöfe ein Dialogprozess begonnen, der bis zum 50-jährigen Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 2015 dauern soll. Mit einem „österlichen Zwischenruf“ möchte der Evangelist Lukas seinen Beitrag zu einer guten Gesprächskultur und zum Gelingen dieses Prozesses leisten und vor allem den Initiatoren drei Bitten vortragen.


Meine lieben Oberhirten,

ich gebe zu, ich bin schon ein wenig stolz auf „meine“ Emmausgeschichte. Die Frage: Wo und wie können wir denn heute den lebendigen, den auferstandenen Jesus erfahren? – diese Frage wollte ich mit meiner Erzählung beantworten. Und was ich die beiden Jünger auf ihrem Weg erleben lasse, das möchte ich als Beispiel für alle Zeiten verstanden wissen: In der Weggemeinschaft der Christen, im Wort der Heiligen Schrift und im Mahl ist die Gegenwart Jesu zu spüren. Wer genau hinschaut, kann aber noch andere interessante Aspekte und Anregungen in dieser Geschichte entdecken. Aus aktuellem Anlass will ich euch heute eine Passage besonders ans Herz legen:
Mit Hoffnung, aber auch mit Sorge verfolge ich die Gespräche über die Zukunft der Kirche, die gerade in manchen Bistümern und zwischen der Bischofskonferenz und ausgewählten „Laien-Vertreterinnen und -vertretern“ geführt werden. Ich wünsche mir – nicht ganz unbescheiden –, dass das Gespräch Jesu mit den beiden Emmausjüngern zum Modell dieser Dialoge wird; dass der Kommunikationsstil Jesu, wie ich ihn beschreibe, als Maßstab dient. Fragen – zuhören – sich auf die Bibel besinnen: in diesen drei Grundhaltungen und -einstellungen sehe ich eine große Chance, dass der Dialogprozess zu einem guten Ergebnis führt.

Fragen: Jesus gesellt sich in meiner Geschichte nicht als der Wissende und der Überlegene zu den Jüngern, sondern als der Fragende. Er möchte wissen, was die beiden so traurig macht. Er interessiert sich für die Dinge, mit denen sie sich beschäftigen. Er will den Grund ihrer Enttäuschung, ihrer Trauer und Ratlosigkeit verstehen. Nicht aufdringlich, sondern sehr einfühlsam versucht Jesus herauszufinden, worunter die beiden leiden.
Meine lieben Oberhirten, die ihr euch gerne in der Rolle des guten Hirten seht – ich bitte euch dringend: Nehmt euch „meinen“ fragenden Jesus zum Vorbild und interessiert euch für die Sorgen eurer „Herde“. Glaubt nicht, alles schon zu wissen, sondern informiert euch gründlich über das, was euren Gemeinden Angst macht und was sie sich für die Zukunft der Kirche erhoffen. Sie möchten mit ihren Fragen ernst genommen und nicht rechthaberisch belehrt werden.

Zuhören: Jesus hört in meiner Geschichte gut zu. Er lässt Kleopas und seinen Freund reden und ausführlich über die Geschehnisse in Jerusalem erzählen. Er gibt ihnen das Gefühl, dass sie ehrlich und frei heraus sagen dürfen, was sie bewegt. Er zeigt ihnen, dass sie keine Angst haben müssen, und dass sie bei ihm ein offenes Ohr für ihre Anliegen finden.
Meine lieben Oberhirten, die ihr erwartet, dass man euren Hirtenbriefen aufmerksam zuhört – ich bitte euch dringend: Nehmt euch „meinen“ hörenden Jesus zum Vorbild und seid in diesem Dialogprozess zuerst einmal die Hörenden. Lasst eure Gesprächspartner spüren, dass sie, ohne Verurteilungen und Verdächtigungen befürchten zu müssen, alles sagen dürfen, was sie bedrückt – und auch, was sie an Erneuerungsvorschlägen mitbringen. Blendet Themen und Fragen, die euch unangenehm sind oder die ihr für schon entschieden haltet, nicht einfach durch Verbote aus. Sagt nicht von vornherein: Dies oder jenes ist nicht verhandelbar! Lasst euch überraschen und zum Nachdenken anregen durch manches Ungewohnte, das euch zu Ohren kommt. Und macht euch immer wieder bewusst, dass Kritik meist nicht böswillig, sondern aus Interesse an der Kirche geäußert wird.

Sich auf die Bibel besinnen: Jesus versucht in meiner Geschichte, die Erfahrungen der beiden Jünger mit Worten aus der Heiligen Schrift in Verbindung zu bringen. Nachdem er sie gefragt und ihnen lange zugehört hat, deutet er das, was sie ihm erzählen, im Licht biblischer Überlieferung.
Meine lieben Oberhirten, die ihr in euren Hirtenbriefen immer wieder die Bibel zitiert – ich bitte euch dringend: Nehmt euch „meinen“ auf die Schrift zurückgreifenden Jesus zum Vorbild und orientiert euch bei euren Vorstellungen über den Kurs der Kirche an seiner Botschaft – an seinen Geschichten und Gleichnissen, an seinem Verhalten. Versucht euch vorzustellen, wie Jesus wohl auf die bedrängenden Fragen eurer Zeit reagiert hätte, und klammert euch nicht krampfhaft an Gesetze und Strukturen, die früher richtig und wichtig waren. Lasst euch vom Geist der Freiheit leiten, der durch die Evangelien und die Briefe des Paulus weht.

Fragen – zuhören – sich auf die Bibel besinnen:
Wenn ihr diese Impulse aus meiner Emmausgeschichte in euren Dialogprozess einfließen lasst; wenn eure Gespräche in diesem Sinn geführt werden, dann – davon bin ich überzeugt – werdet ihr am Ende sagen: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als wir so miteinander redeten; als wir so unsere Ansichten austauschen konnten; als wir so um einen guten Weg unserer Kirche in die Zukunft gerungen haben? Haben wir nicht eine neue Begeisterung gespürt und wieder Mut bekommen, für unseren Glauben zu werben und Menschen in unsere Gemeinschaft einzuladen?“
Wie gesagt, ich bin schon ein wenig stolz auf „meine“ Emmausgeschichte. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn sie auch einen kleinen Beitrag zum Gelingen eures Zukunftsgesprächs leisten könnte …

Predigt zum Ostermontag von Wolfgang Raible (in Die Botschaft heute 2/2012, S. 70) Fundstück durch P. Staufer

 

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