"Grund->Richtung: Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten" - KRGB-Landestagung und Fortbildung mit Festakt zum 120-Jährigen Gründungsjubliäum des KRGB vom 08. Bis 10. November 2018 im Kloster Münsterschwarzach
Ein Interview mit Frau Prof. Dr. Claudia Gärtner zur Bedeutung des RU im Kontext unserer Tagung
Münsterschwarzach Wie sieht die Zukunft des Religionsunterrichts in Deutschland aus? Hat er überhaupt eine Zukunft? Mit diesen und vielen anderen Fragen beschäftigten sich von Donnerstag bis Samstag letzter Woche rund 150 Religionslehrer aus Bayern. Der Verband katholischer Religionslehrer und Religionslehrerinnen an den Gymnasien in Bayern (KRGB) hatte ins Kloster Münsterschwarzach eingeladen. Professorin Dr. Claudia Gärtner von der Technischen Universität Dortmund hielt einen Gastvortrag. Sie ist von der Relevanz und Notwendigkeit des Religionsunterrichts überzeugt. „Mehr denn je.“
Claudia Gärtner: Der Religionsunterricht bietet in der Schule einen Ort, um über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Es geht dort um Sinnsuche, um religiöse Orientierung, aber auch zum Beispiel um die Würde des Menschen und um unsere Verantwortung für die Schöpfung. Also auch um hochaktuelle gesellschaftliche Themen. Es bleibt dem Religionsunterricht vorbehalten, diese Werte an unsere jungen Menschen weiterzugeben.
Gärtner: Gerade deshalb brauchen wir den Religionsunterricht. Ich habe vor kurzem auf einer Tagung mit einem Wissenschaftler aus dem Bereich Informatik gesprochen. Er hat mich geradezu angefleht, auch weiterhin theologische Inhalte in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen.
Gärtner: Junge Menschen können heutzutage so viele Dinge verändern. Sie programmieren, sie sind in digitalen Welten unterwegs. Aber über all dem muss doch die Frage stehen: Was macht das mit unserer realen Welt, mit uns Menschen, mit unserer Umwelt?
Gärtner: Ja. Und der Religionsunterricht kann dem etwas entgegensetzen. Aber nicht nur in dieser Frage ist er essenziell.
Gärtner: Die Zahl von Kindern, die unter Stress, Leistungsanforderungen, teils Depressionen leiden, steigt. Viele Jugendliche fühlen sich bedrängt, unfrei. Da hat die Religion etwas zu bieten.
Gärtner: Natürlich. Voraussetzung ist, dass die Lehrer genau wahrnehmen, wo die Schülerinnen und Schüler gerade stehen. Wenn sie deren Sinn- und Orientierungssuche ernst nehmen und ein religiöses Deutungsangebot machen, dann erreicht man die Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen dafür natürlich eine andere Didaktik als früher. Es darf nicht mehr heißen: Du bist sündig und wirst von uns erlöst. Es geht vielmehr darum, dass man als christlicher Mensch nicht perfekt sein muss.
Gärtner: Weil sich viele Schüler als nicht perfekt erleben. Sie inszenieren sich in sozialen Medien und dieses Bestreben nach vermeintlicher Perfektion ist für sie eine große Belastung. Die christliche Tradition kann da etwas Befreiendes entgegensetzen.
Gärtner: Die Botschaft: Du bist erst einmal von Gott angenommen, so wie du bist.
Gärtner: Die religiöse Vielfalt in unserem Land empfinde ich als Bereicherung. Und es ist mir ein großes Anliegen, dass wir unsere pädagogischen Bemühungen für einen islamischen Unterricht in den Schulen verstärken.
Gärtner: Weil auch muslimische Kinder und Jugendliche einen Raum innerhalb unserer Gesellschaft brauchen, wo sie sich mit ihrer Religion auseinandersetzen können. Manche Moscheegemeinden sind nationalistisch geprägt. Es braucht also einen anderen Ort, wo muslimischer Unterricht stattfinden kann.
Gärtner: Genau wie ihre katholischen oder evangelischen Kolleginnen und Kollegen: An deutschen Universitäten. Im Grundgesetz steht übrigens, dass Religionsgemeinschaften für den Unterrichtsinhalt verantwortlich sind, nicht ausschließlich die Kirchen. Das wird manchmal verwechselt. Der Staat stellt die Rahmenbedingungen zur Verfügung.
Gärtner: Da hat es in den letzten Jahren schon Veränderungen gegeben. Der so genannte konfessionell kooperative Unterricht läuft in etlichen Bundesländern sehr gut.
Gärtner: Mal unterrichtet eine katholische Lehrkraft, mal eine evangelische. Sie wechseln sich ab. In den jeweiligen Klassen sitzen katholische und evangelische Schülerinnen und Schüler zusammen. Diese Organisationsform ist gerade in denjenigen Schulen hilfreich, in denen rein katholische oder evangelische Lerngruppen nicht mehr gewährleistet werden können.
Gärtner: Das Gelingen hängt immer auch von personellen Faktoren ab. Aus didaktischer Sicht sehe ich hohe Lernchancen. Man ist automatisch im Dialog, muss auch mal eigene Überzeugungen und Anschauungen reflektieren.
Gärtner: Wir verzeichnen nach wie vor eine hohe Nachfrage nach dem Theologiestudium für das Lehramt. An den Priesterseminaren sieht das bekanntermaßen anders aus.
Gärtner: In vielen Bereichen ist der Priestermangel schon jetzt so eklatant, dass Pfarrer nicht mehr unterrichten. Dieser Trend wird sich in der Zukunft noch verstärken.
Gärtner: Ich war wieder einmal beeindruckt von den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern. Sie sind mit einem sehr hohen persönlichen und fachlichen Engagement tätig. Ich befürchte, dass diese menschliche und fachliche Ressource in den Schulen manchmal gar nicht die Wertschätzung erfährt, die sie verdient. Wir müssen uns nur mal vorstellen, wie Schule aussehen würde, wenn es keine Religionslehrerinnen und -lehrer mehr gäbe. Das Schulleben wäre dann ein ganzes Stück ärmer.
Artikel und Foto von Ralf Dieter auf https://www.infranken.de/regional/kitzingen/wertvoller-unterricht;art113220,3843633
Foto: Prof. Claudia Gärtner von der TU Dortmund nahm an einer Tagung im Kloster Münsterschwarzach teil. Thema war die Zukunft des Religionsunterrichts an bayerischen Schulen.